22.12.2022

Wenn aus Erinnerungen Bilder entstehen

Kunsttherapeutin Sandra Fliedner leistet auf der Palliativstation des CaritasKlinikums Saarbrücken einen Beitrag zur Verbesserung und Stabilisierung der psychischen Verfassung durch intensive Biographiearbeit
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Wer in der Klinik für Palliativmedizin des CaritasKlinikums Saarbrücken behandelt wird, leidet meist an fortgeschrittenen unheilbaren Erkrankungen. Um für Abwechslung und Ablenkung zu sorgen, kommt seit 2009 einmal pro Woche Kunsttherapeutin Sandra Fliedner auf die Station. „Die Menschen hier befinden sich in einer extremen Ausnahmesituation, denn sie sind unmittelbar mit ihrem eigenen Ende konfrontiert und haben zusätzlich noch mit den Auswirkungen ihrer Krankheit zu kämpfen“, beschreibt die 51-jährige die besondere Situation. „Die Kunsttherapie soll helfen, die schwere Bürde zu erleichtern.“


Die gebürtige Saarländerin hat in der Nähe von Bremen Kunsttherapie studiert. „Ich habe schon immer viel gemalt und gleichzeitig hat mich auch die Psychologie interessiert. Kunsttherapie war die perfekte Verbindung: Es ist ein sehr breit gefächerter Beruf, man kann grundsätzlich im gesamten sozialen Bereich arbeiten.“ Nach ihrer Rückkehr ins Saarland war Sandra Fliedner zunächst in einer Malschule für Kinder tätig. Durch Zufall lernte sie eine Musiktherapeutin kennen, die damals im CaritasKlinikum tätig war und kam so auf die Palliativstation, wo sie seitdem einmal pro Woche einen Nachmittag mit den Patienten verbringt.


„Zu Beginn meines Dienstes überlege ich gemeinsam mit den Pflegekräften, welche Patienten überhaupt fit genug sind, dass ich ihnen ein entsprechendes Angebot machen kann“, erklärt Sandra Fliedner. „Früher haben wir manchmal noch gemeinsam gemalt, aber die meisten sind dazu gar nicht in der Lage.“ Ziel der Therapeutin ist es, mit den Patienten ins Gespräch zu kommen. Sie freuen sich über den Besuch und berichten von Orten oder Dingen, die für sie eine Bedeutung hatten. „Sei es das geliebte Haustier oder ein Lavendelfeld aus dem Urlaub. Oft sind es Landschaften, die eine positive Erinnerung wecken. Wir aktivieren innere Bilder und dadurch auch innere Ressourcen. Man könnte es als Biographiearbeit bezeichnen“, sagt Sandra Fliedner. „Es ist auch eine Möglichkeit, sich bewusst zu machen, dass man in seinem Leben auch viele schöne Dinge gesehen und erlebt hat. Die Kunsttherapie kann also einen Beitrag zur Verbesserung und Stabilisierung der psychischen Verfassung auch schwerstkranker Patienten leisten.“


Die Orte aus den Gesprächen malt Sandra Fliedner im Anschluss und überreicht sie den Patienten als Erinnerung. „Die Patienten sind dankbar und begeistert von dieser persönlichen Überraschung. Viele kennen es nicht, dass jemand etwas für sie speziell macht. Die Bilder werden an die Wand gehängt oder bei Entlassung mitgenommen. Oder, wenn die Patienten versterben, ist es für die Angehörigen eine schöne Erinnerung.“


Sandra Fliedner versucht, so detailliert und tief wie möglich in die Erinnerungen einzutauchen. „Wenn es eine sehr persönliche Erinnerung ist, dann wird man fast ein Teil davon. Ein Patient erzählte mir mal sehr lange von seinem Pferd und vom Reiten. Am Ende hat ihm das Gespräch schon geholfen – er wollte gar kein Bild.“ Eine andere Patientin berichtete von einer sehr intimen Geschichte, als sie mit ihrem Vater eine Wanderung in den Bergen unternahm. Zum Teil sind es auch sehr besondere Wünsche, die Sandra Fliedner dann als Bilder umsetzt. „Ein Patient war Architekt und hatte Hotels entworfen. Als Bild wünschte er sich ein besonderes Hotel in den Bergen. Eine andere war Stewardess und wünschte sich den Blick auf New York von oben bei Nacht, den sie so gerne gesehen hatte.“


Ansonsten sind die beliebtesten Motive Landschaften mit Bäumen oder Seen. Auch das Meer oder der heimische Garten werden sich oft gewünscht. Und Haustiere haben eine große Bedeutung, vor allem, wenn sie zurückgelassen werden müssen, weil sie nicht mitkommen dürfen ins Krankenhaus. Seit ein paar Jahren werden einige Bilder in Form eines Kalenders veröffentlicht. „Ein Motiv, das mir persönlich besonders viel Spaß gemacht hat, war ein Ameisenbär“, blickt Sandra Fliedner lachend zurück.


Die Kunsttherapie bedeutet aber nicht nur Abwechslung für die Patienten – sondern auch Entlastung für die Angehörigen. „Die Krankheit überlagert zu diesem Stadium meist das komplette Leben. Es ist für alle Seiten schön, wenn es mal für eine kurze Zeit um etwas Anderes geht.“

 

Text und Foto: Nele Scharfenberg 

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